Zurück auf Los - Roman by C.H.Beck

Zurück auf Los - Roman by C.H.Beck

Autor:C.H.Beck [C.H.Beck]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783406670145
veröffentlicht: 2014-10-12T16:00:00+00:00


7

Anfangs hatte ich gehofft, dass Nathalie es sich noch einmal anders überlegen würde. Ich hatte geglaubt, die Sache mit der Trennung würde sich nach ein paar Wochen erledigt haben. Die ganze Geschichte habe nicht mehr Gewicht als ein Komma in einem Satz. Ich erwartete jederzeit eine SMS von ihr, in der sie mich bat, zu ihr zurückzukehren. Und ich wäre flink herbeigeeilt, so wie treuliebende Hunde und verliebte Jünglinge das eben tun. Bis hierher hatte ich den Verantwortungsvollen gegeben, der seine Ehekrise mit Würde erträgt. Doch die erhoffte SMS war nie eingetroffen, und schlimmer noch, ich hatte feststellen müssen, dass zwischen uns nicht ein Komma, sondern ein ganzer Roman stand. Nathalie hatte eine Affäre, Nathalie hatte einen anderen Mann. Irgendwann schaute ich mein Handy gar nicht mehr an, ich hatte es satt, auf etwas zu warten, was sowieso nicht kam.

Doch jetzt fiel es mir wieder in die Hände, und ich stieß auf zahlreiche Nachrichten von Nathalie, aber auch auf eine von Alice, die zurück in Paris war. Alice, die ich so schmerzlich vermisst hatte, deren Reise ans andere Ende der Welt mich so aus meinem inneren Gleichgewicht gebracht hatte. Sie war wieder da. Das veränderte alles. Es kam mir so vor, als kehrte mein ganzes altes Leben wieder, doch diese Illusion währte nur kurz, dann erfolgte die kalte Dusche in Form einer SMS von Nathalie: «Da ich dich nicht erreichen konnte, hab ich Alice wohl oder übel sagen müssen, dass wir uns trennen. Sie hat schon verstanden. LG, Nathalie.» Ich starrte auf die Mitteilung. So also sah mein Leben aus, auf Telegrammstil reduziert. Aber was bedeutete überhaupt: «Sie hat schon verstanden?» Anscheinend hatte sie Alice informiert, ohne groß auf irgendwelche Gemütslagen einzugehen. Um uns herum wimmelte es nur so von Beziehungen, die in die Brüche gingen. Wir waren nur Teil der allgemeinen Auflösungserscheinungen. All das ging ohne heftige Zusammenstöße, ohne lautes Geschrei vonstatten. Unser Untergang war etwas ganz Natürliches, er reihte sich ein in den der anderen. Wenn wir ihn wenigstens als Katastrophe erlebt hätten, als etwas Bodenloses, als gigantischen Skandal. Weit gefehlt. Das Ganze fühlte sich an, wie an ein friedliches Ufer gespült zu werden. Dieser Gedanke bereitete mir zusätzliche Schmerzen. Mein Leben neigte sich unaufhaltsam dem Ende zu, und es hatte nicht die geringsten Wellen geschlagen. Das konnte so nicht weitergehen.

In einer weiteren SMS schrieb Nathalie, sie habe Alice nicht über meine berufliche Lage in Kenntnis gesetzt. Die Bekanntgabe des Desasters sollte wohl schrittweise vollzogen werden. Mit meiner Nachtruhe war es nun vorbei. Was tun? Ich sehnte mich nach Alice, danach, sie stumm in meine Arme zu schließen. In ihrer Nähe würde es mir besser gehen, da war ich mir seltsam sicher. Vielleicht kein Zufall, dass mein Leben ausgerechnet in dem Augenblick in Stücke zerfiel, als sie sich nach Brasilien absetzte. Aber was sollte ich ihr sagen? Sie würde mich bestimmt fragen, wo ich jetzt wohnte. Ich konnte sie doch unmöglich anlügen. Und noch weniger konnte ich ihr die Wahrheit beichten. Ich schämte mich so. Nein, das ist nicht übertrieben.



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